Nachfolger gesucht: Eine Lösung für den Mittelstand

Interview mit Philipp Egner, Geschäftsführender Gesellschafter und Florian Belschner, Entwicklungsleiter der Gutekunst Metall GmbH

Die Gutekunst GmbH ist ein Familienbetrieb mit langer Tradition. Der Spezialist für Tiefbohrungen ist seit mehr als 125 Jahren auf dem Markt tätig und nimmt in einer hoch spezialisierten Nische eine führende Position ein.

Die Frage der Nachfolge

Wie viele mittelständische Familienunternehmen stand das Unternehmen vor einer ungewissen Zukunft, als Robert Gutekunst sich auf seinen Ruhestand vorbereitete und es keinen offensichtlichen Kandidaten gab, der die Nachfolge antreten konnte. Zu diesem Zeitpunkt wurde Philipp Egner auf Gutekunst aufmerksam.

„Mein Ziel ist es, ein diversifiziertes Portfolio erfolgreicher, ehemals in Familienbesitz befindlicher Unternehmen im Zuge einer Nachfolgeregelung aufzubauen“, erklärt der Geschäftsführende Gesellschafter Philipp Egner, der selbst in einem Familienunternehmen großgeworden ist. „Ich habe die Gutekunst GmbH zum 14. September 2018 gekauft und somit die Nachfolge auf lange Sicht gesichert.“

Langfristige Strategie

Philipp Egner ist ein international ausgebildeter junger Manager, der im Alter von 29 Jahren das erste von mittlerweile vier Unternehmen gekauft hat. „Ich verfolge eine langfristige Strategie zum Wachstum und zur Entwicklung dieser Unternehmen. Dies steht im Gegensatz zu den Zielen von beispielsweise Private Equity-Investoren, die in der Regel auf kurzfristige Gewinne aus sind und Unternehmen häufig schon nach fünf oder acht Jahren wieder veräußern“, so Philipp Egner. „Dieser Ansatz gefiel Robert Gutekunst besonders gut, weil er den Standort hier in Römerstein-Zainingen sicherte und den Mitarbeitern des Unternehmens langfristig eine gesicherte Zukunft bot.“

Wissen sichern

Laut Philipp Egner konnte die Übernahme nur so gelingen: „In unserem Sektor liegt ein wesentlicher Teil unserer Kompetenz im Wissen unserer Mitarbeiter. Wir haben viele langjährige, sehr erfahrene Mitarbeiter im Unternehmen. Für die Zukunft ist es natürlich wichtig, dass wir dieses Wissen im Unternehmen halten, um es an die nächste Generation weitergeben zu können.“

Zukunftsfähig aufstellen

Somit wird eine Dynamik geschaffen, die dem Unternehmen den zukünftigen Erfolg sichert. Hier sieht Philipp Egner einen weiteren Vorteil seiner Strategie: „Ein Unternehmer, der bereits an den Ruhestand denkt und weiß, dass das Unternehmen nicht in der Familie verbleibt, ist weniger bereit, sich finanziell zu engagieren und läuft Gefahr, notwendige Maßnahmen wie die Digitalisierung oder Nachhaltigkeitsziele zu verschlafen. Darunter leidet im schlimmsten Fall die Wettbewerbsfähigkeit.“

Stichwort Digitalisierung

In diesem Zusammenhang sieht Entwicklungsleiter Florian Belschner die weitere Digitalisierung des Unternehmens als wichtigen Bereich: „Wir sind Lohnfertiger für Kunden aus sehr unterschiedlichen Branchen wie beispielsweise der Medizintechnik, der Lebensmittelindustrie, der Luft- und Raumfahrt oder dem Anlagenbau. Wir sehen uns als Problemlöser für unsere Kunden, insbesondere wenn es darum geht, tiefe Löcher in Werkstücke zu bohren. Die Herausforderung dabei ist bei sehr langen, dünnen Werkzeugen, Verformungen während des Bohrvorgangs zu vermeiden.“

Ein firmeneigenes SAP ERP-System gehört schon seit Jahren zum Alltag, was für einen kleinen Mittelständler wie Gutekunst eher ungewöhnlich ist, so Florian Belschner: „Neu dazugekommen ist eine intelligente Versandsoftware, mit der der Kunde automatisch informiert wird, wann seine Ware unterwegs ist. Wir wollen unsere Prozesse noch stärker digitalisieren, um den Fachkräftemangel ein bisschen auszugleichen.“

Intelligentes Arbeiten

Das Unternehmen ist auch gerade dabei, die Maschinendatenerfassung aufzubauen, um Rückschlüsse aus den Steuerungsdaten ziehen zu können. „Somit kann schon während des laufenden Prozesses eine Optimierung stattfinden“, erläutert Florian Belschner. „Auch Themen wie Predictive Maintenance werden aktiv angegangen, um Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen zu erzielen.“

Es wird auch nach digitalen Lösungen gesucht, um den Fachkräftemangel und den drohenden Ruhestand vieler der erfahrensten Mitarbeiter des Unternehmens zu lindern. „Wir haben hier im Haus ein Expertensystem entwickelt, um das Wissen dieser Mitarbeiter in digitaler Form zu konservieren und für die nächste Generation abrufbar zu machen“, so Florian Belschner. „Nur so können wir das hohe technische Niveau auch in Zukunft aufrechterhalten.“

Mittelständische Werte leben

Im Zuge der Nachfolge hat das Unternehmen die Werte präzisiert, für die es steht. „Wir schlagen zwar ein neues Kapitel für das Unternehmen auf, wollen jedoch niemals die Vergangenheit vergessen“, sagt Philipp Egner. „Deshalb sind das Thema Beständigkeit und der faire Umgang mit den Mitarbeitern und den Kunden von zentraler Bedeutung. Als zweites Thema haben wir uns Präzision und Qualität auf die Fahne geschrieben. Der Wirtschaftsstandort Deutschland behält nur seine Daseinsberechtigung, wenn unsere Leistung besser ist als die unserer Mitbewerber. Deshalb muss es unser Ziel bleiben, immer der Beste zu sein. Nicht zuletzt wollen wir durch Innovation führend sein, nicht nur im Hinblick auf die bereits erwähnten Software- und digitalen Lösungen, sondern auch durch die neueste Technologie in unserem Maschinenpark.“

Somit hat das Führungsteam die Weichen gestellt für eine Zukunft, die sicherlich als Muster für andere erfolgreiche Familienunternehmen, in denen sich die Nachfolgeregelung schwierig gestaltet, dienen kann.

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