„Gegen den Personalmangel im Gesundheitswesen kann man eine Menge tun!“

Interview mit Katrin Hofmann, Ärztliche Direktorin der Policum Berlin MVZ GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Hofmann, als Ärztliche Direktorin der Policum Berlin MVZ GmbH tragen Sie die Verantwortung für einen der größten Gesundheitsdienstleister der Hauptstadt. Durch welches Engagement zeichnen sich Ihre Häuser aus?

Katrin Hofmann: Als Tochtergesellschaft der Sanecum-Gruppe betreiben wir vier Standorte in Berlin – zwei große multidisziplinäre sowie zwei weitere mit einem rein psychotherapeutischen Leistungsspektrum. Dort bilden wir in zwölf unterschiedlichen Fachrichtungen die gesamte medizinische Grundversorgung mit Ausnahme von Urologie und Gynäkologie ab und kümmern uns jedes Jahr um circa 150.000 Behandlungsfälle.

Wirtschaftsforum: Wie schlägt sich die angespannte Personalsituation im Gesundheitswesen in einer Organisation Ihrer Größenordnung nieder?

Katrin Hofmann: Wir erleben dieses Phänomen genauso wie jede andere medizinische Einrichtung auch – die Herausforderungen bei der Nachbesetzung offener Stellen nehmen grundsätzlich immer weiter zu. Schon vor etlichen Jahren, als sich die gesamte Tragweite dieser Situation erst abzuzeichnen begann, haben wir jedoch bereits systematisch gegengesteuert und unter anderem eine Ausbildungsinitiative für Berufsanfängerinnen und Quereinsteiger gestartet. Hiervon können wir heute schon erste Früchte ernten. Natürlich ist die allgemeine Personalsituation nicht einfach und hat sich gerade in der Pandemie noch einmal verschärft. Aber der Erfolg unserer weitsichtigen Maßnahmen hat gezeigt, dass man eine Menge tun kann, um sich nachhaltig auf die veränderten Bedingungen einzustellen.

Wirtschaftsforum: Was macht Policum Berlin zu einem attraktiven Ausbildungsbetrieb?

Katrin Hofmann: Ein wichtiger Vorteil für engagierte Auszubildende liegt sicherlich in unserer starken Interdisziplinarität. Die meisten ambulanten medizinischen Einrichtungen sind üblicherweise nur auf eine Fachrichtung spezialisiert, sodass die jeweiligen Auszubildenden lediglich in einer einzigen Fachdisziplin Erfahrung sammeln können und zudem die gesamten zwei oder drei Jahre ihrer Ausbildungszeit an die jeweilige Praxis gebunden sind. Policum Berlin hat hingegen ein interdisziplinäres Curriculum über sämtliche Fachbereiche hinweg ausgestaltet, das unsere Auszubildenden systematisch durchlaufen. Dadurch erhalten sie die Gelegenheit, die gelebte medizinische Praxis in ihrer gesamten Breite kennenzulernen und anschließend eine wohlinformierte Entscheidung zu treffen, in welchem Gebiet sie ihre weitere berufliche Zukunft sehen. Gleichzeitig setzen wir von der interventionellen Gastroenterologie bis hin zur teilinterventionellen Kardiologie modernste medizinische Verfahren ein, womit wir junge Menschen mit einem grundsätzlichen Interesse an der medizinischen Praxis natürlich besonders nachhaltig begeistern möchten. Auch erfahrene Kollegen, die ihre Tätigkeit bei Policum Berlin aufnehmen, durchlaufen bei uns einen strukturierten Onboarding-Prozess, um bestmöglich in unserem Unternehmen ankommen und unseren medizinischen Exzellenzanspruch vom ersten Tag an mit Leben füllen zu können. Eine intensive Betreuung all unserer Mitarbeiter durch unser Unternehmen ist dafür eine unabdingbare Voraussetzung.

Wirtschaftsforum: Wie hat Policum Berlin die Coronapandemie erlebt?

Katrin Hofmann: Im Kontext der enormen Belastung, die die ambulante Medizin in dieser Zeit erfahren hat, erlebe ich bis heute ein etwas verzerrtes Bild in der öffentlichen Wahrnehmung, in der fast ausschließlich über die stationäre Versorgung gesprochen wird. Gleichzeitig wurde jedoch die weit überwiegende Mehrheit der Coronapatienten nie in ein Krankenhaus aufgenommen, sondern rein ambulant behandelt – neben den übrigen Patientenströmen, die natürlich weiterhin versorgt werden mussten. Die fachliche, organisatorische und auch physische Belastung unseres Personals war also enorm – doch die finanzielle wie strukturelle Unterstützung, die wir dabei tatsächlich erfahren haben, war bisweilen erschreckend gering. In der Hochphase der Pandemie habe ich selbst Kleintransporter organisiert und zusammen mit ein paar Mitarbeitern an den Ausgabestellen essenzielle Medizinprodukte wie Masken und einfache Schutzkleidung abgeholt – da waren wir sehr auf uns allein gestellt. Am Ende mussten medizinische Versorgungszentren wie die Policum Berlin die Coronaprämien für die Ärztinnen und medizinischen Fachangestellten dann aus eigenen Mitteln bestreiten – was wir natürlich auch getan haben, um ihren enormen Einsatz zumindest ein bisschen honorieren zu können. Dieses Bild offenbart jedoch ein klares Missverhältnis zwischen dem, was unser Sektor in dieser schweren Zeit geleistet hat, und der Wertschätzung, die er dafür erfährt.

Wirtschaftsforum: Wie kann das Gesundheitswesen im ambulanten Bereich vor diesem Hintergrund auch perspektivisch ein attraktives Geschäftsfeld bleiben?

Katrin Hofmann: Die Einnahmen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung reichen schon lange nicht mehr aus, um auch wirtschaftlich nachhaltig agieren zu können. Deshalb haben wir 2023 ein Präventionszentrum gegründet, um unser Leistungsspektrum im privatärztlichen Bereich systematisch zu erweitern. Die Nachfrage nach entsprechenden Beratungsleistungen, etwa im Anti-Aging-Bereich oder in der Sportmedizin, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, sodass wir unsere Kompetenz als patientennahe Gesundheitsdienstleister nun auch an dieser Stelle einbringen möchten.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Schwäbische Präzision rettet weltweit Leben

Interview mit Florian Tyrs, Vice President Global Operations & General Manager der JOTEC GmbH

Schwäbische Präzision rettet weltweit Leben

Die auch als Hauptschlagader bezeichnete Aorta ist das größte Gefäß innerhalb des menschlichen Körpers und deshalb ganz besonders wichtig. Erkrankungen dieses Gefäßes sind deshalb überaus vorsichtig zu behandeln und erfordern…

Vitalität, die von innen kommt

Interview mit Jana Keym, Geschäftsführerin der Astrid Twardy GmbH

Vitalität, die von innen kommt

War das Gesundheitsbewusstsein während der Coronapandemie besonders stark ausgeprägt, verzichten aktuell viele Menschen aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation wieder auf den Kauf gesundheitsfördernder Produkte. Die Astrid Twardy GmbH aus Bad Aibling…

Werte wahren, Neues wagen

Interview mit Stefan Wirth, Geschäftsführer FUJIFILM medwork GmbH

Werte wahren, Neues wagen

Das Beste aus zwei Welten zu vereinen, bedeutet, neue Möglichkeiten, Chancen und Perspektiven zu haben. Genau das trifft für die FUJIFILM medwork GmbH aus Höchstadt zu. Der Anbieter von medizintechnischen…

Spannendes aus der Region Berlin

Garant für Wissenserhalt und Wissensaustausch

Interview mit Olaf Theuerkauf, Geschäftsführer der Kongress- und Kulturmanagement GmbH

Garant für Wissenserhalt und Wissensaustausch

Kongresse und Tagungen, Konferenzen und Seminare – kurzum Fachveranstaltungen – sind eine wichtige Grundlage für den Wissensaustausch und die wissenschaftlichen Diskussionen. Diese dynamischen Veranstaltungen spielen eine entscheidende Rolle in der…

Analoge Seele – digitale Innovation

Interview mit Marcus Meya, Geschäftsführer der C. Bechstein Sales & Service GmbH

Analoge Seele – digitale Innovation

Die Klaviere und Flügel aus dem Hause C. Bechstein gelten weltweit als Spitzenprodukte, die durch hervorragende Handwerkskunst, klangliche Qualität und künstlerische Ausdruckskraft überzeugen. Sowohl Profis, Konzertsäle, Musikschulen aber auch Heimmusiker…

„In der kooperativen Intelligenz liegt der Schlüssel zu unserem Erfolg“

Interview mit Dr. Herbert Hadler, Geschäftsführer der PSI Automotive & Industry GmbH

„In der kooperativen Intelligenz liegt der Schlüssel zu unserem Erfolg“

Die enge Zusammenarbeit mit den Kunden ist ein zentrales Erfolgsgeheimnis der PSI Automotive & Industry GmbH – davon ist nicht nur ihr Geschäftsführer Dr. Herbert Hadler überzeugt. Denn aus diesem…

Das könnte Sie auch interessieren

Rehabilitation neu und nachhaltig gedacht

Interview mit Markus Frenzer, Geschäftsführer der Nanz medico GmbH & Co. KG

Rehabilitation neu und nachhaltig gedacht

Zu Hause wohnen und gleichzeitig eine hochwertige und intensive Rehabilitation erhalten – immer mehr Patienten wünschen sich eine ambulante Rehabilitation. Ein Trend, den die Nanz medico GmbH & Co. KG…

Orthopädisch kompetent mit einem Lächeln im Gesicht

Interview mit Benjamin Muschinsky, Geschäftsführer der Klinik Dr. Muschinsky GmbH & Co. KG

Orthopädisch kompetent mit einem Lächeln im Gesicht

Fach- und Rehakliniken gibt es viele in Deutschland. Doch eine inhabergeführte Fachklinik, die orthopädische Patienten und Menschen mit chronischen Schmerzen konservativ behandelt und zudem eine äußerst umfassende und intensive Rehabilitation…

Rehabilitation – ganzheitlich und individuell

Interview mit Arnd Fliescher, Geschäftsführer der Klinik Dr. Franz Dengler GmbH

Rehabilitation – ganzheitlich und individuell

Dass Körper und Geist in Wechselwirkung stehen, ist inzwischen unbestritten. Trotzdem werden Krankheitsbilder in der herkömmlichen Versorgung häufig noch isoliert und nicht ganzheitlich betrachtet. Die Klinik Dr. Franz Dengler, eine…

TOP